News Hemmerswil

21.07.2015

«Wollte nicht Lehrer werden»

Über vier Jahrzehnte unterrichtete Andreas Oettli an der Primarschule Amriswil. Jetzt ist er in den Ruhestand getreten. Noch in diesem Jahr möchte der ehemalige Lehrer unterwegs sein. Zu Fuss will er bis zum Genfersee wandern.


Bericht: Tagblatt 21. Juli 2015, Maya Mussilier

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Nach seiner Pensionierung bleibt Andreas Oettli mehr Zeit, um ein spannendes Buch zu lesen. (Bild: Donato Caspari)

 

Sein Berufswunsch war es nicht, Lehrer zu werden. «Mein Vater war Lehrer, und ich ging nicht einmal seiner Ansicht nach in diese Richtung», sagt Andreas Oettli. «Ich bin auch nie gerne zur Schule gegangen. Ich fand, dass einem der Staat zu viel Freizeit wegnehme.»

Damals träumte der junge Mann davon, etwas in Richtung Fotografie oder Elektronik zu machen, wusste aber nicht so recht, was genau. Der Berufsberater riet ihm, die Mittelschule zu besuchen.

Spass an der Arbeit mit Kindern

«Ich entschied mich, mal das Seminar zu machen und danach eine Berufslehre anzuhängen.» Doch es sollte anders kommen. Andreas Oettli merkte bald, dass ihm die Arbeit mit Kindern viel Spass machte. «Das Vermitteln von Stoff faszinierte mich vom ersten bis zum letzten Tag», sagt der Primarlehrer, der jetzt mit Beginn der Sommerferien in den Ruhestand getreten ist. Leider habe die Erziehungsarbeit immer mehr Raum eingenommen, bedauert Oettli. Das habe ihm weniger gelegen.

Er wohnte im Schulhaus

Im Rahmen seiner Ausbildung übernahm Andreas Oettli als erstes für ein Jahr eine Realklasse in Erlen. Danach führte ihn der Weg erstmals nach Amriswil. Er unterrichtete während dreier Jahre eine Unterstufenklasse im Schulhaus Mühlebach. Dort wohnte er im alten Schulhaus, welches heute das Schulmuseum beherbergt. Andreas Oettli ist heute ein aktives Mitglied des Schulmuseums Amriswil.

Nach diesen drei Jahren folgte Andreas Oettli dem Ruf der Ferne. «Ich reiste für ein Vierteljahr nach Afrika», erzählt er. Zurück in der Heimat übernahm er einige Stellvertretungen im Kanton Zürich und dann für ein halbes Jahr in Dozwil.

Schliesslich führte Andreas Oettlis Weg zurück nach Amriswil. Er wohnte mit seiner Familie im Schulhaus Oberaach und unterrichtete dort die Dritt- und Viertklässler. «Eine gute Zeit», erinnert sich Andreas Oettli gerne daran zurück. Es sei schon speziell gewesen für seine Familie und insbesondere für die Kinder, dort zu wohnen, wo sich auch der Arbeitsplatz befand. «Für die Kinder war das ganz toll. Es gab immer irgendwelche Gspänli, die sich mit ihnen in unserem Garten trafen. Oder wir konnten auch mal mit den Kindern an einem Sonntag die Turnhalle benützen. Diese Möglichkeit hat nicht jedes Kind.»

Tapetenwechsel war nötig

Nach 18 Jahren in Oberaach brauchte Andreas Oettli einen Tapetenwechsel. Er wechselte ins Schulhaus Hemmerswil in Amriswil und übernahm dort die Mittelstufe. «Ich habe gemerkt, dass mir die Arbeit noch mehr Spass machte, je älter die Schüler wurden», sagt Andreas Oettli. «Man kann das Wissen auf eine ganz andere Weise vermitteln.» Auch wenn der Lehrberuf nicht immer einfach ist und manchmal sogar sehr aufreibend sein kann, ist für den jetzt pensionierten Lehrer klar: «Es ist ein beglückender Beruf. Es kommt so viel von den Schülern zurück. Das werde ich auf jeden Fall vermissen.» Gerne erinnert sich Andreas Oettli an die vielen Anlässe und Lager, die er während seiner Zeit als Lehrer erleben durfte. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Klassenlager am Genfersee. «Das war eine ganz besondere Klasse, in der es sehr harmonisch zuging. In dieser Zeit ging ich wirklich jeden Tag voller Freude zur Arbeit.»

Immer mächtiger geworden

Was Andreas Oettli, der über 40 Jahre in Amriswil unterrichtete, zu denken gibt, ist die staatliche Schulpolitik. «Das Amt für Volksschule ist immer mächtiger geworden», findet er. Einst habe man den Schulen Support geleistet, heute werde über die Schulen bestimmt. Mit der Einführung der geleiteten Schulen habe sich für die Lehrer schon einiges verändert. Früher habe man mehr Verantwortung übernommen, aber auch mehr Freiheiten gehabt. Den Schulreformen «von oben» kann Andreas Oettli nicht viel abgewinnen. Diese seien allzu selten im Sinne der Kinder, findet er. Könnte er entscheiden, so würde wieder einige Kompetenz an die Lehrer zurückfliessen. «Sie haben als Praktiker ein untrügliches Gespür für das Machbare. Warum finden sie so wenig Gehör?»

Ein merkwürdiges Gefühl

Nachdem nun auch der letzte Schultag vorbei ist und die Sommerferien längst begonnen haben, wird Andreas Oettli so richtig bewusst, dass ein Lebensabschnitt zu Ende gegangen ist. «Es ist ein merkwürdiges Gefühl», gibt er zu. Was er jetzt mit seiner gewonnenen Freizeit anfangen will, steht für Andreas Oettli noch nicht ganz fest.

Ein Projekt hat er aber bereits im Auge. «Ich möchte zu Fuss von Romanshorn nach Genf wandern», sagt er. Wenn es klappt, macht er sich noch dieses Jahr auf den Weg. Ganz neu ist für ihn diese Art zu reisen nicht. Vor drei Jahren wanderte er von Basel nach Ponte Tresa.