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29.03.2021

Nach Verkehrsunfall mit Kindergartenkind sagt der Schulpräsident: «Ich stelle mir natürlich die Frage, ob wir genug für die Sicherheit unserer Kinder tun»

In Amriswil verunfallt ein sechsjähriges Mädchen auf dem Weg in den Kindergarten schwer. Schulpräsident Christoph Kohler ist erschüttert.


Auch mittels einer Drohne fotografierte die Polizei den Unfallort, während die Stützpunkt Feuerwehr Amriswil die Schrofenstrasse zeitweise gesperrt hielt.

Thurgauer Zeitung online: 27.03.2021 / Manuel Nagel

Christoph Kohler ist noch sichtlich aufgewühlt, als er die Presse um 10 Uhr empfängt. Etwas mehr als zwei Stunden zuvor war der Schulpräsident auf dem Weg zur Arbeit und wurde beinahe Augenzeuge des schweren Unfalls, der sich kurz vor acht Uhr morgens ereignete.

Ein Mädchen war zu Fuss unterwegs in den Kindergarten Mühlebach, als auf dem Trottoir von einem Lieferwagenfahrer übersehen und überrollt wurde. Der 55-Jährige fuhr gemäss Erkenntnissen der Kantonspolizei Thurgau von einem Vorplatz auf die Schrofenstrasse und bog links in Richtung Oberaach ab. Die Rega flog die Sechsjährige, die bei dem tragischen Unfall schwer verletzt wurde, ins Spital.

Schulpräsident Kohler steht in Kontakt mit den Eltern des Mädchens, kann jedoch über den momentanen Zustand der Verunfallten keine Angaben machen. «Ich wünsche dem Kind gute Besserung und der Familie viel Kraft», lässt er verlauten, bevor die Sicherheit auf dem Schulweg zur Sprache kommt. Denn kurz nach dem Unfall fragt jemand in einer Facebook-Gruppe, wie lange die Schulverwaltung denn noch zuschaue. Es sei ein verdammt gefährlicher Schulweg in Mühlebach. «Und wir Eltern dürfen unsere Kinder ja nicht fahren, sonst gibt es eine Busse», schreibt die Frau.

«Kinder zur Schule fahren wäre kontraproduktiv»

Damit konfrontiert zeigt Christoph Kohler Verständnis für die Emotionen dieser Mutter, hält aber fest, die Schule verteile keine Bussen. Er wehrt sich auch gegen den Vorwurf, die Schule mache nichts für die Sicherheit auf dem Weg zum Unterricht: «Kinder, die einen weiten oder ausserordentlich gefährlichen Schulweg haben, fahren wir mit einem unserer vier Schulbusse», sagt Kohler.

«Ich stelle mir nach so einem Unfall natürlich auch die Frage, ob wir genug für die Sicherheit unserer Kinder tun – und ob wir noch mehr machen könnten.»

«Aber es ist ganz sicher keine Lösung, dass nun nächste Woche alle 1'750 Kinder unserer Volksschulgemeinde von ihren Eltern zur Schule gefahren werden», sagt Kohler. Das sei kontraproduktiv. Und er weist darauf hin, dass sich ein solch tragischer Unfall wie dieser durch keine Vorkehrungen der Schule hätte verhindern lassen können. «Das Mädchen lief auf dem Trottoir», erinnert Kohler. Man dürfe darum nie vergessen, dass im Strassenverkehr stets Gefahren lauerten. Auch Kinder müssten lernen, damit umzugehen. «Fährt man seine Kinder immer zur Schule, fehlt diese Erfahrung später, weil sie es nie gelernt haben.» Das Verhalten im Verkehr müsse man ebenfalls trainieren.

Der Schulweg sei eine Herausforderung, dessen ist sich Christoph Kohler bewusst. Es sei deshalb wichtig, dass die Eltern gerade am Anfang ihre Kinder auf dem Schulweg beobachten würden – auch aus gewisser Distanz und nicht immer eng begleitend.

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung rät von Schülerlotsen ab

Eine weitere Forderung, die Eltern immer wieder fordern, ist der Einsatz von Schülerlotsen. Kohler sagt, dass dies schon geprüft wurde. «Die BFU hat uns allerdings davon abgeraten – aus rechtlichen Gründen», sagt Kohler. Wenn die Schule eine Person – etwa ein Vater oder eine Mutter – engagiere, die Kinder beim Kreisel Mühlebach über die Strasse zu führen, stelle sich die Schuldfrage, falls doch etwas passiere. Kohler sagt:

«Verkehrsorganisationen haben deshalb Vorbehalte gegenüber Schülerlotsen.»

Doch untätig sei die Schule nicht. «Wir machten mit der IG Velo Amriswil eine Gefahrenanalyse all unserer Schulwege», sagt Kohler. Der Mühlebachkreisel gehöre da auch zu diesen Schwerpunkten. «Nun kommen Schule und die Stadt zusammen, um sich weitere Schritte zu überlegen.» Doch Kohler gibt auch zu Bedenken, es handle sich oft um Kantonsstrassen. Da seien der Stadt die Hände gebunden, und auch die Schule könne da nicht einfach eine Ampel aufstellen oder andere bauliche Massnahmen treffen.

Leuchtweste ist wichtig

Die VSG Amriswil-Hefenhofen-Sommeri führt mit der Polizei jedes Jahr eine Präventionskampagne durch, bei der eine Figur namens «Simi Sicherli» den Kindern Tipps gibt, wie man sich auf dem Schulweg verhalten soll. «Es ist sehr wichtig, dass die Kinder gut sichtbar sind und ihre Leuchtwesten anziehen», sagt Schulpräsident Kohler. Auch die Fahrtüchtigkeit von Velos und Scootern soll regelmässig überprüft werden. Und zuletzt soll von den Eltern auch der Schulweg thematisiert werden. «Fragt eure Kinder, wo auf dem Schulweg es ihnen wohl ist, oder ob sie auch schon in gefährliche Situationen geraten sind», rät Kohler.