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26.03.2019

Integration konkret

Nicht zufällig ist der 21.3. «Trisomie-21-Welttag». Elias aus Amriswil hat das Down-Syndrom. Doch seit letztem Sommer besucht er eine gewöhnliche Klasse. Elias’ Mutter freut sich über seine Fortschritte.


Bild: Manuel Nagel

Zuzana Nestinova Serafin ist glücklich. Selbst durchs Telefon hört man ihre Freude, wenn sie von den Lernerfolgen ihres Sohnes erzählt, wie er im vergangenen halben Jahr zu schreiben und zu lesen begonnen hat.

Elias ist zehnjährig und hat das Down-Syndrom. Bis im Sommer 2018 war er im Heilpädagogischen Zentrum (HPZ) in Romanshorn. Doch seine aus der Slowakei stammenden Eltern wollten, dass ihr Junge in einer regulären Klasse die Schule besuchen kann. Also wandte sich die in Amriswil wohnhafte Familie an die Volksschulgemeinde und suchte auf deren Einzugsgebiet nach einer Lösung – nach einer Lehrperson, die bereit war, den Mehraufwand auf sich zu nehmen, um ein Kind mit Trisomie 21 zu beschulen und in der Klasse zu integrieren.

«Ich musste eigentlich nicht lange überlegen», sagt Linda Rott, wenn sie zurückdenkt an den Juni 2018, als die Schulleiterin von ihr wissen wollte, ob das allenfalls in Frage käme. «Ich bin überzeugt, dass jedes Kind eine Chance verdient», sagt Rott.

Fachlektüre in den Sommerferien

Die Lehrerin der Unterstufe im Schulhaus Oberaach vertraute dabei auch auf die Fachleute, die bis zu jenem Zeitpunkt mit Elias zusammengearbeitet hatten. «Wenn die der Meinung sind, dass ihm das etwas bringt, dann wird das auch funktionieren», sagte sie sich.

Aber für Linda Rott war das alles Neuland. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit einem Kind mit Down-Syndrom. Sie besorgte sich Lektüre und las sich in den Sommerferien in die Thematik ein. Schon bald erkannte sie jedoch, «dass es zwar gut zu wissen ist, was in den Büchern steht», doch habe sie vor allem auf ihr Gefühl gehört und sei einfach ihrem Herzen gefolgt. «Und dann ist es meistens richtig gewesen», sagt sie und lacht herzlich.

Natürlich habe sie auch Befürchtungen gehabt, gibt Linda Rott zu. Beispielsweise höre man, dass die einen Down-Syndrom-Kinder so stur seien, oder dass dieses und jenes nicht mehr möglich sei. Die Lehrerin sagt:

«Aber diese Befürchtungen hatte ich nur, als ich Elias noch nicht kannte.»

Sie besuchte den Jungen im HPZ und erkannte dort, dass Elias schon ganz vieles kannte und konnte. Ausserdem seien auch die Rahmenbedingungen in ihrer Klasse gegeben gewesen, um den speziellen Bedürfnissen, die ein solches Kind habe, gerecht zu werden. Mit 13 Kindern ist die altersdurchmischte Klasse mit Erst-, Zweit- und Drittklässlern vergleichsweise klein, sodass die zusätzliche Belastung machbar sei.

Doch Linda Rott will es nicht als Belastung bezeichnen. «Alle profitieren», sagt sie. «Nicht nur Elias von uns, wir auch von ihm.»

Jedes Jahr gibt es eine neue Beurteilung

Die ganze soziale Integration sei leichter gegangen als gedacht, weil die meisten Kinder völlig unbefangen auf Elias zugegangen seien, erzählt ihre Lehrerin. Doch Elias habe in einer Regelklasse beide Seiten der Integration, sagt Rott. Sie zwinge die anderen Kinder nicht, Elias zu helfen oder Zeit mit ihm zu verbringen. Das müssten sie von sich aus wollen, stellt sie klar – schiebt aber gleich hinterher, dass Elias so gut wie nie alleine sei. Eine solch soziale Klasse habe sie noch nie gehabt, sagt Rott. Das habe sich vor allem im letzten halben Jahr entwickelt.

Linda Rott profitiert ebenfalls von der neuen Situation. Sie sei gelassener und geduldiger geworden, findet sie. Sie wolle sich einsetzen, dass alles getan werde, damit Elias’ Integration weiter gehen könne. Denn die Situation wird jedes Jahr neu beurteilt. Diese Unsicherheit, ob ihr Sohn auch nächstes Jahr in der Klasse sein wird, belastet die Eltern. Sie sind jedoch dankbar für jeden Tag.

Quelle: Tagblatt | Manuel Nagel

https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/kreuzlingen/seine-integration-bringt-alle-voran-ld.1104165